Der Weinjahrgang 2017 im Anbaugebiet Mosel bricht zwei Rekorde: Zum einen ist es die früheste Lese seit Menschengedenken (Foto: Erntehelfer an der Saar, Foto: Ralf Kaiser), zum anderen fällt die Erntemenge so niedrig aus wie noch nie in den vergangenen fünf Jahrzehnten. Qualitativ biete der Jahrgang dagegen das ganze Spektrum vom Einstiegsqualitäten bis zur Trockenbeerenauslese, berichtete der Moselwein e.V. in seiner Herbstpressekonferenz im Gut Cantzheim in Kanzem an der Saar.
Wie schon in den Jahren zuvor, machten extreme Wettererscheinungen die Hoffnungen der Winzer auf einen „normalen“ Jahrgang zunichte, wie Vorsitzender Rolf Haxel erläuterte. Während 2016 Dauerregen im Frühjahr und Frühsommer sowie Hitze und Trockenheit im Hochsommer für eine relativ kleine Erntemenge sorgten, war es 2017 vor allem der extreme Spätfrost im April, der den Jahrgang prägte. Die Erntemenge fällt mit rund 600.000 Hektolitern um 150.000 Hektoliter nochmals deutlich geringer aus als 2016. Damit liegt die Erntemenge an Mosel, Saar und Ruwer um 200.000 Hektoliter niedriger als der zehnjährige Mittelwert von 800.000 Hektolitern (2007 bis 2016).
Die Weichen für die kleine Ernte wurden schon sehr früh im Jahr gestellt. Der sehr warme März mit teilweise sommerlichen Temperaturen und die ebenfalls warmen Tage Anfang April begünstigten die Entwicklung der Reben, die schon sehr früh austrieben. Bereits Anfang April begann der Austrieb in den wärmsten Lagen – fast vier Wochen früher als im langjährigen Mittel.
Generell sehen die Winzer einen solch frühen Austrieb kritisch. Und sie sollten Recht behalten. In der Nacht vom 19. auf den 20. April verursachte ein Kaltlufteinbruch erhebliche Schäden an den Reben. Die Temperaturen fielen bis um minus 5 Grad Celsius. Selbst in warmen Steillagen, die seit Jahrzehnten keine Frostschäden erfahren hatten, zerstörte der Frost viele Knospen und jungen Triebe der Reben. Rund 3.000 Hektar Weinberge, also mehr als ein Drittel der gesamten Gebietsfläche, waren vom Frost betroffen, schätzt Gerd Knebel, stellvertretender Vorsitzender der Moselweinwerbung. Die Schäden reichten bis zum Totalausfall in einzelnen Anlagen, beispielsweise bei Auxerrois-Weinbergen an der Obermosel.
Die folgenden Wochen waren von Trockenheit geprägt, was der Rebblüte zu Gute kam. Trockenes und warmes Wetter von Anfang bis Mitte Juni sorgte für einen zügigen Blüteverlauf. Rasend schnell erfolgte dann auch die Traubenentwicklung von der Schrotkorngröße bis zum Traubenschluss, der bereits Anfang Juli beim Riesling verzeichnet wurde.
Der Juli brachte dann den langersehnten Regen, teilweise aber mit unerwünschten Nebenwirkungen wie Unwettern, Starkregen, Sturmböen und Hagel. Ein Unwetter am 31. Juli verursachte in vielen Weinbergen Erosionsschäden. Starkregen mit Hagel beschädigte in einigen Gemarkungen die Trauben. Der weitere Wetterverlauf mit viel Niederschlag und schwülheißem Wetter im August beschleunigte die Entwicklung der Reben weiter und sorgte für den frühesten Beginn der Traubenlese.
Bereits Ende August wurden frühreifende Sorten wie Solaris und Ortega geerntet – nicht nur für Federweißen, sondern auch schon für die Weinproduktion. Anfang September begannen viele Winzer mit dem Ernten des Müller-Thurgau, um den 8. September rollten die Erntemaschinen in den Elblingweinbergen der Obermosel. 2016 begann die Elblinghauptlese Anfang Oktober, bei Müller-Thurgau am 24. September. Und selbst der spätreifende Riesling wurde ab Mitte September 2017 eingebracht – fast drei Wochen früher als 2016 und immerhin noch mehr als zehn Tage früher als im Jahr 2011, das bislang den Rekord des frühesten Lesestarts im Anbaugebiet Mosel hielt, berichtete Geschäftsführer Ansgar Schmitz. Bereits am 13. September wies die Reifemessung des DLR Mosel für Riesling ein durchschnittliches Mostgewicht von 77 Grad Oechsle aus. Beim Elbling ermittelte das DLR am 4. September 68 Grad Oechsle, beim Müller-Thurgau 86 Grad. Angesichts der hohen Fruchtzuckerwerte und des sich ausbreitenden Pilzbefalls begannen vor allem Trauben- und Fassweinerzeuger schnellstmöglich mit der Lese, um weiteren Mengeneinbußen zuvor zu kommen. Auch die Winzergenossenschaft Moselland eG habe Trauben zugekauft müssen, so deren Vorstandsvorsitzender Henning Seibert, der die Genossenschaft im Vorstand der Weinwerbung vertritt. Da es auch in fast allen anderen Weinbaugebieten, auch in Südeuropa, Frostschäden gegeben habe, würden am Markt vor allem Mengen für Weine im Preiseinstieg fehlen, so seine Einschätzung.
Während Elbling, Müller-Thurgau und andere frühreifende weiße Sorten in der Regel Garanten für eine mengenmäßig gute Ausbeute sind, mussten sich die Winzer 2017 mit deutlich weniger Trauben in ihren Erntewagen begnügen. Der Elbling brachte es auf einen Durchschnittsertrag von 8.500 Litern pro Hektar, im Vorjahr waren es 11.000 Liter. Elblingerzeuger berichteten von Erträgen von nur 4.000 Litern in besonders vom Frost geschädigten Lagen. Beim Müller-Thurgau, 2016 mit 90 Hektoliter pro Hektar im Schnitt, wird der Durchschnittsertrag auf 70 Hektoliter geschätzt. Der gleiche Durchschnittsertrag wird beim Riesling erwartet. Doch auch hier schwanken die Erträge je nach Standort, Region und Betrieb teils deutlich. Vor allem qualitätsorientierte Betriebe, die schon beim Anschnitt der Reben ertragsmindernd vorgehen, wurden besonders getroffen. Häufig ernteten diese Weingüter nur 4.000 bis 5000 Liter je Hektar.
Die direkt vermarktenden Qualitätsweingüter begannen früh mit ersten Lesedurchgängen, um faule Trauben zu entfernen. Das sonnige, windige und kühle Wetter in den letzten zwei Septemberwochen begünstigte diese Lesestrategie. Die Vorlese erbrachte Material mit hohen Mostgewichten und markanter Säurestruktur, das besonders für feinherbe und süße Weine geeignet ist. Die gesunden Trauben konnten weiter reifen und die Säure abbauen, um dann im Oktober für die Erzeugung hochwertiger trockener Weine eingebracht zu werden.
Wer Geduld hatte und selektiv erntete, wurde belohnt: Das zunächst wechselhafte Oktoberwetter mit Niederschlägen und relativ warmen Temperaturen mündete in einen goldenen Bilderbuchherbst, während dessen Dauer bis etwa 20. Oktober die meisten Weingüter die Lese abschließen konnten. Der Aufwand für die selektive Lese war allerdings sehr hoch, die Erntehelfer mussten jede Traube unter die Lupe nehmen, um die passenden Beeren für den entsprechenden Weinstil auszulesen, so Vorstandsmitglied und Saarwinzerin Anna Reimann, die mit ihrem neuen Weingut Cantzheim Gastgeberin der Pressekonferenz war.
Groß ist die qualitative Bandbreite der Ernte: Beim Riesling variiert das Mostgewicht je nach Lesezeitpunkt und Ertrag von 70 bis mehr als 200 Grad Oechsle. Zahlreiche Weingüter haben aus eingetrockneten Riesling-Rosinen Weine der höchsten Qualitätsstufe gepresst.
Die Gärung der 2017er Moste verläuft ohne Probleme, und die Moste aus selektierten Trauben schmecken bereits vielversprechend. Der Jahrgang 2017 von Mosel, Saar und Ruwer wird den Verbrauchern Weine in allen Qualitätsstufen, vom Qualitätswein über Kabinett und Spätlesen bis hin zu Beeren- und Trockenbeerenauslesen bieten. „Vor allem im gehobenen Segment wird es eine breite Palette geben, von mineralisch-trockenen Großen Gewächsen bis zu hochgradigen Botrytis-Auslesen“, sagte Saarwinzer Florian Lauer, Mitglied im Vorstand des Moselwein e.V.
Die ersten Mostpreise notierten für Elbling und Müller-Thurgau bei 100 Cent, bei Riesling bis 130 Cent. Preise deutlich darüber zahlen die selbstvermarktenden Weingüter, die durch Zukauf am Trauben- und Fassweinmarkt ihre eigenen Ertragseinbußen ausgleichen.
Die bestockte Rebfläche an Mosel, Saar und Ruwer liegt derzeit bei 8.796 Hektar, die Ertragsrebfläche bei 8.549 Hektar. 90,5 Prozent entfallen auf weiße Sorten, 9,5 Prozent auf rote. Riesling ist mit rund 61 Prozent die wichtigste Rebsorte in den Weinbergen der Region. An der Saar nimmt sie sogar rund 80 Prozent der Fläche ein. Im Trend sind neben Rieslingweinen nach wie vor die Burgundersorten, deren Anteil im Anbaugebiet Mosel seit Jahren wächst.