Ein fordernder Weinjahrgang mit vielen Wetterkapriolen, hoher Qualität und geringerer Menge als erwartet – auf diese Formel lässt sich die Erntebilanz 2019 im Weinanbaugebiet Mosel reduzieren. Die Natur hat es den Winzern an Mosel, Saar und Ruwer nicht so leicht gemacht wie 2018, als sich alle über Bilderbuchtrauben in großer Güte und Menge freuen durften. Dennoch rangen die Winzer dem Jahrgang 2019 trotz Frost im Frühjahr sowie Hagel, Trockenheit, Hitze und Sonnenbrand im Sommer und Regen im Herbst Trauben ab, die das Potenzial für einen großen Weinjahrgang bieten und in der Spitze sogar bessere Qualität als 2018 liefern.
Die Schätzungen zur Erntemenge mussten ständig nach unten korrigiert werden. Während im Spätsommer noch eine Erntemenge über dem zehnjährigen Mittelwert von 754.000 Hektoliter erwartet wurde, gehen die aktuellen Schätzungen des Weinbauverbandes Mosel von knapp 694.000 Hektolitern Most aus. Das sind acht Prozent weniger als im Durchschnitt der vergangenen zehn Jahre. Gegenüber 2018 fällt die Erntemenge im Anbaugebiet Mosel um ein Viertel geringer aus. Einzelne Weingüter berichten von bis zu zwei Drittel weniger Ausbeute als 2018.
Mit der Qualität der Trauben sind die Winzer an Mosel, Saar und Ruwer sehr zufrieden, wie Rolf Haxel, Vorsitzender der Weinwerbung Mosel, in der Herbstpressekonferenz in der neuen Weinmanufaktur Van Volxem Wiltingen an der Saar berichtet. Die geernteten Trauben lassen eine hohe Weinqualität erwarten. Die Mostgewichte lagen bei den Reifemessungen des DLR Mosel Ende September fast auf dem Niveau des Vorjahres. „Die geringen Ertragsmengen und die gute Selektion der Trauben brachten Moste mit hohen Mostgewichten bei zufriedenstellenden Säurewerten und beim Riesling optimalen pH-Werten“, so Rolf Haxel. Sein Stellvertreter Henning Seibert bestätigt dies aus Sicht der Winzergenossenschaft Moselland, die Mitgliedsbetriebe im gesamten Anbaugebiet hat: „Die Trauben hatten durchweg einen hohen Reifegrad bei idealen Säurewerten, daher ist für den Jahrgang 2019 mit sehr guter Qualität zu rechnen.“ Beim Riesling dürften kaum Moste unter 80 Grad Öchsle geerntet worden sein. Häufig wurden Werte von über 100 Grad gemessen, auch bei den Burgundersorten. In der Spitze wurden beim Riesling Mostgewichte von über 230 Grad Oechsle erreicht. Bei Müller-Thurgau lagen die Werte um 80 Grad Oechsle, beim Elbling bei vergleichsweise hohen 70 bis 75 Grad.
Aufgrund der frühen Reife sorgte der Regen ab der letzten Septemberwoche nach der langen Trockenheit für das Aufplatzen der Beeren. Die feuchte und milde Witterung begünstigte die Ausbreitung von Fäulnis vor allem in Rebanlagen, die schon von Frost oder Hagel geschädigt waren. Die Winzer mussten schnell reagieren, um gesundes Lesegut einzubringen. Viele Weingüter hatten sich auf einen Start der Rieslingernte ab Anfang Oktober eingerichtet, mussten dann aber schon Ende September beginnen. Die Lese der frühen Sorten, die noch bei optimalen Wetterbedingungen begonnen hatte, ging nahtlos in die Rieslinglese über.
Einen Vorteil brachte der Regen: Dank der durch die Feuchtigkeit begünstigten Edelfäule Botrytis cinerea dürfte überall im Anbaugebiet die Produktion edelsüßer Spitzenweine möglich sein. Der Aufwand für die Erzeugung von edelsüßen wie trockenen Spitzenweinen ist in diesem Jahr aber extrem hoch. Viele Trauben wiesen Beeren in sehr unterschiedlichen Reifezuständen auf. Nicht nur auf Fäulnis mussten die Erntehelfer achten. Es galt auch, von Hagel, Sonnenbrand oder Trockenstress geschädigte Beeren auszusortieren.
Der durchschnittliche Hektarertrag liegt nach der aktuellen Schätzung bei 82 Hektolitern. Die Werte reichen von nur 20 Hektoliter je Hektar bis zu 100 Hektoliter in Anlagen, die von Kalamitäten verschont blieben. Die Erträge schwanken selbst innerhalb einzelner Weinorte und Weinlagen oft deutlich. 2019 dürfte bei vielen Erzeugern daher als „neidischer Herbst“ in Erinnerung bleiben.
Eine Frostnacht Anfang Mai verursachte vor allem an der Obermosel und im Raum Trier sowie an Saar und Ruwer große Ernteeinbußen. Beim Elbling wurden infolge des Frostes in einigen Weinlagen der Obermosel nur 20 Hektoliter je Hektar geerntet – ein für diese ertragreiche Rebsorte extrem niedriger Wert. Die Moselland Winzergenossenschaft meldet beim Elbling im Schnitt nur 54 Prozent des zugelassenen Hektarhöchstertrages. Auch Dornfelder war vom Frost stark betroffen. Lokal brachte Hagel im Juli weitere Einbußen. Betroffen waren vor allem die Weinlagen in Trier-Olewig, an der Terrassenmosel in Hatzenport, Löf und Alken sowie im Raum Zell bis Traben-Trarbach.
Ein weiteres beherrschendes Thema war die langanhaltende Trockenheit im Sommer. Im Juli bremste der Niederschlagsmangel die Entwicklung der Reben. Wie schon 2018 litten besonders Junganlagen unter Trockenstress. Ein Tiefdruckgebiet brachte Anfang August vielen Winzern den lang ersehnten Regen. Auch bei den Niederschlägen war die Situation lokal sehr unterschiedlich. Starkregen sorgte örtlich zwar für viel Niederschlag, aber auch für Erosionsschäden. Insgesamt lagen die Niederschläge von Januar bis September unter dem langjährigen Mittelwert.
Kennzeichnend für den Jahrgang im gesamten Weinanbaugebiet war aber ein wetterbedingtes Phänomen, dass in dieser Ausdehnung neu war: Überall im Weinbaugebiet traten infolge der Rekordhitze mit Temperaturen über 40 Grad Celsius Sonnenbrandschäden an Trauben in bisher nicht gekanntem Ausmaß auf. Die Schäden traten sehr uneinheitlich auf, sowohl bei entblätterten wie auch nicht entblätterten Anlagen. In einzelnen Weinbergen berichteten Winzer von bis zu 50 Prozent Ernteausfall durch Sonnenbrand.
Trotz der Wetterextreme in Frühjahr und Sommer hatten die meisten Winzer bis weit in den September sehr gute Erwartungen an Qualität und Erntemenge. Die frühreifen Rebsorten wurden bereits ab Anfang September für Federweißer und Traubensaft sowie Sektgrundwein geerntet. Viele Weinberge befanden sich in Hinblick auf Traubengesundheit und Ertrag zu diesem Zeitpunkt in hervorragendem Zustand. Trockene Tage und kühle Nächte sorgten für eine gute Reifeentwicklung und Aromaausprägung. Dank dieser Voraussetzungen haben die Winzer dann trotz des Wetterumschwungs Ende September eine sehr gute Qualität ernten können. Zum Ende der Lese gab der Goldene Oktober ein Gastspiel mit viel Sonnenschein und fast sommerlich warmen Tagen.
Die meisten Winzerbetriebe haben die Traubenlese in den vergangenen Tagen beendet. Einige der größeren Weingüter werden noch bis Ende Oktober ernten. Im Weinanbaugebiet Mosel werden aktuell rund 8.800 Hektar Rebfläche von etwa 3.000 Winzerbetrieben bewirtschaftet. Die Ertragsrebfläche liegt bei 8.537 Hektar. Der Anteil von Riesling und Burgundersorten an der Ertragsfläche ist im vergangenen Jahr leicht angestiegen, Müller-Thurgau, Dornfelder und Kerner gingen dagegen weiter zurück.
Die Weinfreunde dürfen aus dem Anbaugebiet Mosel fruchtige und aromatische 2019er Weine erwarten. Bei selektiver Lese sind die Voraussetzungen für hochwertige trockene Weine bis hin zu Großen Gewächsen, für feinherbe und fruchtsüße Kabinettweine und Spätlesen ebenso wie für edelsüße Raritäten bis zur Trockenbeerenauslese gegeben. Die ersten Kostproben des 2019ers von Mosel, Saar und Ruwer werden voraussichtlich im Frühjahr präsentiert werden. Da im vergangenen Jahr der ausgezeichnete 2018er Jahrgang die Keller gut gefüllt hat, ist bis zum Verkaufsstart des neuen Jahrgangs für eine ausreichende Marktversorgung mit Moselweinen gesorgt.
Derweil sorgt die Weltpolitik für Sorgen an der Mosel: Angesichts der von der US-Regierung angekündigten Strafzölle auf deutsche Weine befürchten die Exportbetriebe Einbußen bei ihren Lieferungen nach Nordamerika, dem wichtigsten Auslandsmarkt für Moselweine. Die Strafzölle wirken sich bereits negativ auf den Fassweinmarkt aus, denn trotz der niedrigeren Erntemenge sind die Preise für Fasswein nicht gestiegen.