Ein Architekturpreis Wein 2022 geht ins Weinanbaugebiet Mosel: Das Gut Cantzheim in Kanzem an der Saar (Foto: Christopher Arnoldi) gehört zu den Preisträgern des nationalen Wettbewerbs um die beste Weinarchitektur in Deutschland. Zudem erhielt mit der Weinmanufaktur Van Volxem ein weiteres Weingut an der Saar eine Anerkennung der Jury.
Vier Preise wurden beim fünften Architekturpreis Wein 2022 in Mainz verliehen. Die Preisverleihung durch den Präsidenten der Architektenkammer Rheinland-Pfalz, Joachim Rind, den Vizepräsidenten des Deutschen Weinbauverbandes, Heinz-Uwe Fetz, und Walter Reineck, den Abteilungsleiter Weinbau im Wirtschaftsministerium, fand im Zentrum Baukultur Rheinland-Pfalz, in Mainz statt. Neben den Preisen wurden vier Auszeichnungen und drei Anerkennungen verliehen. Von den insgesamt zwölf für einen Preis nominierten Projekten und Betrieben kommen fünf aus Rheinland-Pfalz.
Im Spätsommer 2021 hatten das rheinland-pfälzische Weinbauministerium, der Deutsche Weinbauverband und die Architektenkammer Rheinland-Pfalz den Architekturpreis Wein 2022 zum fünften Mal ausgelobt. Unter den eingereichten 48 Bewerbungen hatte die Fachjury aus der Architektur- und der Weinszene im Dezember 2021 insgesamt zwölf Nominierungen ausgewählt, die nun alle in einer Ausstellung präsentiert werden. Die Ausstellung ist bis zum 22. Mai im Zentrum Baukultur in Mainz, Rheinstraße 55 mittwochs bis freitags von 14 bis 18 Uhr und nach Vereinbarung zu sehen. Sie wird im Anschluss als Wanderausstellung präsentiert.
„Das Anwesen des Weingutes Cantzheim baut auf historischen baulichen Wurzeln auf und ist zu einem neuen überzeugenden Ensemble weiterentwickelt worden, in dem sich Weinkultur und Baukultur treffen... Die Eigenständigkeit beider Neubauten ist Ausdruck für ihr Selbstverständnis und gleichzeitig Sinnbild für ihre Verortung in dem besonderen Kontext.“ So begründet die Jury die Verleihung des Architekturpreises Wein. Georg Thoma vom Gut Cantzheim berichtet von einer "außerordentlich positiven Resonanz durch die Qualität der Architektur und des Architekten." Man habe so "ganz neue Gäste, die wahrscheinlich ohne den zusätzlichen Anreiz Architektur nie an der Weinsaar haltgemacht hätten.“
Im spätbarocken Gutshaus aus dem Jahr 1740 war viel unterzubringen: Gästehaus, Veranstaltungsort, Vinothek und Privatwohnung sollten Platz finden. Beim denkmalgerechten Umbau und der Modernisierung wurde die historische Bausubstanz vollständig erhalten und zunächst von fremden Anbauten befreit. Neu hinzu kamen zwei ergänzende Neubauten, die Remise und die Orangerie. Beide sind achssymmetrisch zum Gutshaus positioniert, rahmen und unterstreichen seine solitäre Wirkung. Zusammen schaffen sie eine außergewöhnliche Verbindung von Architektur und Landschaft. In der Remise sind zwei Gästezimmer und die zum Betrieb des Ensembles notwendige Technik ohne Einschränkung der historischen Bausubstanz untergebracht. Wände, Dach, Schornstein und Treppe der skulpturalen Remise sind komplett in Stampfbeton gefertigt und spiegeln die erdfarbenen Töne der umgebenden Hügel wider. Die filigrane Struktur der Orangerie aus Stahl und Glas nimmt die Vertikalität der allgegenwärtigen Rebstöcke auf.
Im Hochparterre des Gutshauses findet eine gewerbliche Küche mit zwei Speisezimmern Raum. Der historische Tonnengewölbekeller ist heute Veranstaltungsort. Das Ober- und das Dachgeschoss dienen Gästen und
Bauherrschaft zum Wohnen. Im Herzen des Barockgebäudes blieb ein ganz besonderer Raum in seinem ursprünglichen Charakter völlig unangetastet: Die einstige Kapelle. Über historische Lichtschächte senkrecht beleuchtet, strömt sie
wieder eine sakral anmutende Atmosphäre aus, die an die frühere Nutzung erinnert. Dreifachverglasungen, durchgehender Kalkputz in Alt- und Neubau oder der Einsatz von Dämmplatten in den historischen Holzgefachen sorgen für optimierten Energiebedarf. Auch der Altbau mit seiner historischen, denkmalgeschützten Gebäudehülle wird heute mit Geothermie beheizt. Die Remise ist aus Wärmedämmstein gemauert, mit ihrer Stampfbetonfassade bekam sie zudem eine Hülle ohne Pflegeaufwand und Chemiebedarf.
Zur Anerkennung für die Weinmanufaktur Van Volxem in Wiltingen heißt es in der Jury-Begründung: „Inmitten einer bukolischen Landschaft gelegen, entstand eine zeitgemäße aber nicht zeitgeistige Interpretation eines modernen Weingutes… Modernste Technik und Funktionalität in den Abläufen der Weinherstellung geht einher mit einer intensiven Beschäftigung, wie diese Prozesse auch nachhaltig betrieben werden können.“
Die Weinmanufaktur Van Volxem entstand inmitten von Weinbergen auf dem Wiltinger Schlossberg. Hier wo – heute unvorstellbar – einst Müll gelagert wurde, stand die ehemalige Kellerei. Heute erhebt sich an der südlichen Hangkante des Schlossbergs ein monolithischer Turm, der auf den historischen Bismarckturm jenseits des Tals anspielt. Die Besucherinnen und Besucher der Weinmanufaktur – jährlich um die 40.000 – empfängt die Vinothek im Erdgeschoss.
Zu ihren Füßen befinden sich der Raritätenkeller, wo die besonderen Jahrgänge und die Spitzenlagen über viele Jahre in eigens in die Wände eingelassenen Edelstahltanks reifen, und das Herzstück, der mit Naturstein ausgekleidete Holzfasskeller, dessen Eichenfässer einst in den familieneigenen Eifeler Wäldern wuchsen.
Alles in der neuen Manufaktur ist durchdacht: Die Produktion folgt auf zwei Arbeitsebenen dem natürlichen Geländeverlauf. Das Lesegut kann an der überdachten Traubenannahme händisch sortiert und pumpenfrei weitertransportiert
werden. Hygiene und Logistik, Energieeffizienz und Gesundheitsschutz wurden optimiert. Man setzt auf Nachhaltigkeit: Die alten Kellereiräume wurden in den Neubau eingebunden. Wärme liefert eine Hackschnitzelanlage. Die Zapfsäulen für e-mobile Besucher werden von der eigenen Photovoltaik gespeist, Platanen beschatten die Parkplätze. Alle Materialien – die Travertinfassaden, das Eichenholz, der besonders widerstandsfähige Gneis und das Messing – alle können und dürfen altern.
„Nach zwei Jahren Nutzung sind wir von der Eignung der neuen Manufaktur für die Weinerzeugung wie auch für die Betreuung unserer vielen Besucher mehr als begeistert... Die Marke Van Volxem hat von dem Neubauvorhaben in kürzester Zeit
erheblich profitiert", berichtet Inhaber Roman Niewodniczanski.
Sowohl Cantzeim als auch Van Volxem gehören zur grenzübergreifenden Weinarchitekturroute Via mosel' (www.viamosel.com) und wurden 2021 im Wettbewerb des Deutschen Weininstitutes um die "Schönsten Vinotheken" ausgezeichnet.